Einleitung zur Ausstellungseröffnung „mit dem strom und gegen die zeit – TREIB_GUT FLASCHENPOST“ – 16. Juni bis 4. September 2016 im Museum für Kommunikation Frankfurt
Verfolgen und verfolgen lassen
Zum 60. Geburtstag von Sophie Calle
in: DAS ARCHIV, Nr. 3/2013
Lebenszeichen
Einführung zur Ausstellung von Birgit Rüberg im Wehrturm Zündorf, 2008
Lebenszeichen
Kama, ein Sanskrit-Wort, bedeutet Verlangen und Begehren, Sutra ist der Faden. Faden im Sinne einer Kette, einer fest gefügten Folge von Silben. Als eine Art Gedächtnisstütze fassen Sutren tradiertes Wissen zusammen. Entsprechend liefert das Kamasutra, einer der einflussreichsten Texte zur erotischen Liebe, aber auch zur Reglementierung der Partnerwahl, detaillierte Beschreibungen sexueller Praktiken. Nun klingen „die 64 Glück verheißenden Zeichen einer guten Liebhaberin“ für unser westliches Ohr wenig übersichtlich und Stellungen, die als Kreuzstich oder Waffeleisen übersetzt werden, nicht sehr sinnlich.
Wenn sich aber Birgit Rüberg des Themas annimmt, wird aus der komplizierten Liebesenzyklopädie eine heitere Comic-Fassung: Lakenstoffe in Hellblau und Nachtblau, andere gestreift oder zart mit Blumen bemustert, wölben sich wie sanfte Kissen aus der Wand. Darauf sind kleine gestickte Figuren, grob umrissen in dunklem Garn, scheinbar vielgliedrig und – vielleicht ob der anstrengenden Stellung – mit weit aufgerissenen Augen ineinander verschlungen.
Nicht von ungefähr war es diese humorvolle Interpretation des Kamasutra, mit der Birgit Rüberg vor einigen Jahren den Faden aufnahm zu einem umfangreichen Werk gestickter Arbeiten, die mit viel Witz und Sinn für Absurdes das Verhältnis der Geschlechter beleuchten.
Die Multimedia-Künstlerin stellt sich damit in unterschiedliche Traditionen, von denen die der typisch weiblichen Handarbeitstechnik als Teil weiblicher Erfahrungswelten nur eine ist.
Vor allem im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entwickelte sich Handarbeit mit Nadel und Faden als nur dekorative, repräsentative Tätigkeit zu einem Symbol weiblicher Disziplinierung und Immobilität. Kopf, Hand und Herz sollten damit gefesselt, die Triebhaftigkeit bezwungen und die Selbstbeherrschung manifestiert werden. Schon unschickliches Gestikulieren war verpönt, an Kamasutra gar nicht zu denken (denn auch „Grübeln“ war unerwünscht). Gleichzeitig verweisen Rübergs Arbeiten „auf ein Brauchtum, zu dem bestickte Textilien als fester Bestandteil des Frauenlebens gehören. Das Werben und Sich-Paaren war geknüpft an Sticheleien, und vom Taufkleid bis zum Totenkissen wurde die Tauglichkeit einer Braut an Umfang und Zier ihrer Aussteuer bemessen.“
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Plastik aufheben. Über den Umgang mit Dingen
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Gespür für Charme und Lust an Spiel und Täuschung
Plexus
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Interview mit Ronald Franke, in: Ronald Franke, Brandenburgische Wasserstraßen, Deutsche Binnenreederei Berlin, 1997